Poetische Beschreibung des Grunewald-Rundgangs mit Fellows des Wissenschaftskollegs am 14. September

Eine kurze Randbemerkung: Letzten Freitag haben wir mit Fellows einen Spaziergang gemacht, um etwas zur Geschichte des Villenviertels Grunewald zu erfahren. Persönliches aus dem Leben von Menschen wie Braun und Rathenau. Wir konnten verstehen, wie Erinnerungen fortdauern können: Das Nachklingen der Früheren, die nicht länger Gespenster bleiben, die Befreiung vom Gedächtnisverlust. Plötzlich, ohne besondere Vorankündigung, streifte sich unser Guide – Petra Fritsche –  Arbeitshandschuhe über die Hände und beugte sich tief hinunter, um die Stolpersteine zu putzen, damit sie glänzten, so dass wir die Namen lesen konnten. Dabei erzählte sie die Geschichte der Familie Braun, was Menschen anderen antun, wie sie das Leiden der Brauns verursachten, wo und auf welche Weise sie starben. Diese Leben wurden eingeätzt in unseren Raum und unsere Zeit, und nun ist es eine Erinnerung, nicht an Fremde, sondern an gegenwärtige Menschen.

Ich habe kein Bild von Petra, wie sie kniend die Inschriften poliert, die wie deutliche Narben auf der Oberfläche eines verwundeten Landes sind, denn für mich war dieser Moment zu sakral und zu heilig und sollte nicht ungeschützt uneingeweihten Blicken ausgesetzt sein. Eine Tür hatte sich in diesem Moment geöffnet und ich denke an diese Geschichte. Gerade jetzt schien da ein emphatisches JA zu sein, gewiss ist da ein Licht, das in eine Wunde drängt, egal wie tief sie ist, ein Licht, das bewirken kann, dass Menschen die Wahrheit sehen, keine Ablehnung, keine Vorwände, keine Entschuldigungen. Es wird erwartet, dass man sich verbeugt und zuhört und benennt, nicht abwehrend, sondern Zeugnis ablegt, um sich selbst zu erkennen und damit die nachfolgenden Generationen hören können. Und nichts ist verloren, weder der Horror noch die Gnade, und die Wunde leuchtet wie eine Tür zu etwas … Hoffnungsvollem. Dafür danke ich Petra.

Übersetzung: Petra T. Fritsche

Yvonne Owuor:

„On a quick side note: Last Friday, we took the walk with colleagues to hear the story lines of Grunewald’s spaces. Intimate stories of life, of people with names like Braun and Rathenau and encountered the tangibility of the persistence of memory, the resonance of ‚ancestors, who are no longer ghosts‘, the freedom from amnesia. There was an unguarded moment when our guide, Petra Fritsche, be-gloved, simply lowered her head and body to wipe and shine the stumbling stones, to brighten them, so we could read the names as she spoke story of the Brauns, and what one set of people did to their own, how they caused the suffering of the Brauns, where they died and the nature of that death. These lives were re-etched into a present time and space, and now the memory, not of strangers, but of fellow human beings. I do not have an image of Petra on her knees wiping the etchings that are like lucid scars on the surface of a wounded land, for that moment was, for me, far too sacred, far too holy, and not to be exposed to the uninitiated gaze. For a door did open in that moment, for me, and I think for this story.  For right there, there seems to be an emphatic yes, indeed, there is a light that can be urged into a wound however deep, a light that can summon humans to gaze at truth, not denial, not pretence, not excuses. It does expect that one does stoop, and listen, and name; not resisting, allowing witnesses to see for themselves, and the generation after that to hear. And nothing is lost, neither the horror nor the grace, and the wound shines as a doorway into something…hopeful. I thank Petra for this.“

 

Über P. Fritsche Beitragsschreiberin

Stadtspaziergänge in Berlin
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